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Teguise


Teguise ist nach Betancuria auf Fuerteventura die zweitälteste Siedlung der früheren Ureinwohner auf den kanarischen Inseln. Bereits im Jahre 1418 wurden der Siedlung die Stadtrechte durch den Stadtgründer Maciot de Béthencourt, einem Neffen des ersten kanarischen Kolonisators Jean de Bethencourt, zuerkannt. Der Ort bekam zunächst die Betitelung Villa Real, was soviel wie königliche Stadt bedeutet. Bis heute sprechen darum manche Einwohner Teguises von La Villa, wenn sie ihren Heimatort meinen. Ihren heutigen Namen verdankt die Stadt ebenfalls Maciot de Béthencourt, der damit seiner späteren Ehefrau, der Ureinwohner-Prinzessin Teguise, eine besondere Ehre erweisen wollte. Teguise war bereits in früherer Zeit und ist bis heute eine reiche Stadt, die lange Zeit auch der Bischofssitz Lanzarotes war. In ihrem schachbrettartig aufgebauten Stadtbild finden sich eine ganze Reihe bedeutender Sakralbauten und mehrere Herrschaftspaläste, in denen zum Teil bis heute zu besonderen Anlässen die höchsten Vertreter der kanarischen Gesellschaft residieren. Bis 1852 hatte Teguise die Funktion der Inselhauptstadt inne, was nicht zuletzt mit ihrer geschützten Lage im Inselinneren zu erklären war. Nach 1852 war dies wiederum ein Hauptgrund dafür, Arrecife zur neuen Hauptstadt zu erklären, um den Handel mit den umliegenden Inseln fortan besser aufrecht erhalten zu können.

In der Zeit bis 1852 wäre Arrecife als Hauptstadt noch denkbar schlecht weg gekommen. Weil Lanzarote nämlich aufgrund seiner Nähe zum nordafrikanischen Festland im Vergleich zu den übrigen Kanaren am häufigsten von Piraten heimgesucht wurde, entschied man sich bereits kurz nach der Stadtgründung Teguises dazu, der Stadt die Hauptstadtrolle zuzuweisen, um ihre Bewohner im Falle eines Angriffes frühzeitig warnen und besser verteidigen zu können. Im nahe gelegenen Castillo de Santa Bárbara war der wichtigste Beobachtungsposten zum Schutze der Stadt untergebracht. Trotz der Sicherheitsvorkehrungen wurde Teguise während des 16. und 17. Jahrhunderts mehrfach von räuberischen Piraten überfallen und musste fast jedes Mal schwere Verwüstungen und hunderte von Todesfällen für sich verbuchen. Noch heute erinnert die so genannte "Blutgasse" (Callejón de la Sangre) an die schweren Attacken, die zu jener Zeit auf die Stadt verübt worden waren. Lediglich 1569 hatten die Teguiser ihre Stadt dank der Glockenschläge einiger Franziskanermönche vor dem Schlimmsten bewahren können, da sie die Piraten in einer schmalen Gasse einkesseln und dort unschädlich machen konnten.

Franziskaner- und Dominikanermönche hatten Anfang des 16. Jahrhunderts ihre ersten Ordensgemeinschaften auf der Insel gegründet und die Erlaubnis erhalten, auf ihr zu missionieren. Anfang des 18. Jahrhunderts errichteten die Dominikaner am südwestlichen Ortsrand Teguises das Convento de Santo Domingo, eine Klosteranlage, in der heute das Rathaus der Stadt untergebracht ist. 1988 fand man hier bei Restaurationsarbeiten im Untergeschoss ein Beinhaus mit über 100 Skeletten, von denen einige für Altertumsforscher besonders interessant waren, da man sie nach ihrem Tode mumifiziert hatte. Solcherlei Konservierungsmethoden waren bis dahin noch bei keiner weiteren alten Grabstätte auf der Insel entdeckt worden. Also ein regelrechter Glücksfall für die Wissenschaft. Die Plaza Camilo José Cela, die sich gegenüber vom Rathaus befindet, ist dem spanischen Literaturpreisträger von 1992 gewidmet. Auf dem Platz ist eine kleine Skulptur des Schriftstellers zu finden, auf deren Sockel eines seiner bedeutendsten Zitate eingraviert ist. Dessen Übersetzung lautet in etwa: "Mit Hilfe seiner Gedanken kann ein Mensch die Wahrheit für sich entdecken, die ansonsten der Welt verborgen bleibt."

Möchte man nach der Rathaus- und Plazabesichtigung mehr von der Innenstadt Teguises kennen lernen, so sollte man sich am besten zu Fuß durch die wunderschönen alten Straßen in Richtung Innenstadt begeben. Einige Straßen weiter westlich trifft man zunächst auf das franziskanische Gegenstück zum Convento de Santo Domingo, den bereits im Jahre 1590 eingeweihten Convento de San Francisco, der jedoch im 17. Jahrhundert ebenfalls durch Piratenüberfälle schwer beschädigt wurde. Mittlerweile wurde die alte Kirchenanlage restauriert und dient heute als Ausstellungsraum für einheimische und ausländische Künstler.

Geht man die Plaza San Francisco von hier aus in nördlicher Richtung bis zum Ende hinunter und wendet sich an der Reyes Católicos nach rechts, so steuert man geradewegs auf den Palacio Marqués de Herrera y Rojas, einen der ältesten Adelspaläste der Kanaren, zu, in dem seit 1998 ein deutsches Ehepaar eine Bodega mit Weinprobierstube betreibt. Der Palast wurde im Jahre 1455 von dem gräflichen Bauherrn, nachdem er benannt ist, errichtet und mit einem prachtvollen und geräumigen, lang gestreckten Innenhof versehen. Fast 18 Jahre Restaurationsarbeit haben die beiden heutigen Besitzer in das Palastgebäude gesteckt, was sich jedoch in jedem Falle gelohnt hat. Sehenswert ist neben der ausgefallenen Architektur des Gebäudes auch die umfangreiche Weinsammlung seiner Eigentümer, in der so manch ausgefallenes Sammlerobjekt zu finden ist.

Gleich hinter dem Palast steht an der sich anschließenden Querstraße das von den Teguisern "Teatrillo" genannte Teatro Municipal Hermanas Manuela y Esperanza Spinola, ein Theaterbau aus dem frühen 18. Jahrhundert, der im Laufe seiner Geschichte bereits als Hospital und als Waisenhaus diente und erst Mitte des 19. Jahrhunderts seine ursprüngliche Bestimmung als Theater zurück erhielt. Von 1992 bis 1995 wurde das Gebäude restauriert und im Mai 1995 wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Seitdem finden hier regelmäßig Theateraufführungen und Dichterlesungen statt.

Begibt man sich nach der Besichtigung des Theaters die Straße Herrera y Rojas hinunter und biegt an der nächsten Querstraße rechts ab, so steuert man von dort aus geradewegs auf das Zentrum Teguises mit seiner weithin sichtbaren Pfarrkirche San Miguel zu. Die Mitte des 15. Jahrhunderts im gotischen Baustil errichtete Kirche mit ihrem markanten weißen Turm wird von den Einheimischen auch Nuestra Señora de Guadelupe genannt, da im Inneren des dreischiffigen Gebäudes die Statue der hoch verehrten Jungfrau von Guadelupe aufbewahrt wird. Das Gotteshaus, das nach Piratenüberfällen und Bränden mehrfach wieder aufgebaut wurde, ist eine der ältesten Kirchen der kanarischen Inseln. Das Eingangsportal befindet sich auf der Plaza de la Constitución.

Schaut man über diesen zentralen Platz in der Mitte der Stadt hinüber, so sieht man zur Linken das ehemalige Zenthaus (La Cilla) Teguises, ein Gebäude aus dem 17. Jahrhundert, in dem die Bauern an die Herren der Stadt einen Teil ihres Getreides als Pacht für ihr Land abliefern mussten. Heute ist hier eine Sparkasse untergebracht. Direkt gegenüber der Kirche steht der mittlerweile zum Museum umfunktionierte Palacio Spinola, ein zwischen 1730 und 1830 erbauter Palast, der im Laufe der Jahrhunderte mehrfach die adeligen Besitzer wechselte. 1974 wurde er schließlich vom Konzern Río Tinto aufgekauft, der auch das Land rings um Costa Teguise erworben und dort große Teile des heutigen Ferienortes errichtet hatte. Der Palacio wurde nach dem Kauf mit viel Bedacht auf sein ursprüngliches Aussehen restauriert und dient heute unter anderem als Residenz für den Präsidenten der kanarischen Inseln, wenn dieser zu Besuch auf Lanzarote ist.

Neben den denkwürdigen Gebäuden der Stadt gibt es auch Orte, die für die Bevölkerung im Laufe der Geschichte eine große Rolle spielten. Zum einen ist dies ohne Zweifel der Markt von Teguise, auf dem einst allerlei Händler aus ganz Lanzarote zusammenkamen und ihre Waren feil boten. Heute sind es dagegen überwiegend Nordafrikaner, die auf dem Markt versuchen, ihre Waren an den Mann und vor allem an die Touristen zu bringen. Zum anderen spielte ein etwas außerhalb des Zentrums gelegener Platz, die Gran Mareta, eine ehemalige Zisterne von 40 Metern Durchmesser und neun Metern Tiefe für alle Einwohner während der Trockenperioden als Notdepot eine wichtige Rolle. Anders, als auf einigen der anderen Inseln, wo nur ein paar Leute die Wasserrechte besaßen und das kühle Nass lediglich gegen hohe Bezahlung an andere abgaben, durfte sich hier jeder uneingeschränkt am Wasser bedienen. So war selbst für die Ärmsten der Armen das Überleben in Teguise gesichert. Einer wunderschönen Stadt, deren Glanz und Anmut man sogar in den alten Bars und Restaurants im Ortskern immer wieder aufs Neue begegnet.





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